Kein Mensch weiß, wer das Weltwunder des Mittelalters bezahlt hat. Es scheint noch nicht mal endgültig geklärt, ob es rund um Regensburg überhaupt genug Ochsen gab, damals im 12. Jahrhundert, um die zigtausend Tonnen Steine, Holz und weiß Gott was noch alles in die Stadt zu bringen. Gebaut haben sie Gerüchten zufolge die Magistri Comacini, Bauarbeiter vom Comer See, langobardische Wanderarbeiter. Angesichts dessen, dass das wann, wo, wer und warum immer noch einigermaßen im Dunkeln liegt, hat die Steinerne doch schon recht viel überstanden. Die historischen Fakten haben Historiker meist erst Jahrhunderte, mindestens aber Jahrzehnte später aufgeschrieben, in der Regel loben und schwärmen sie von der pons optimus.

Rattern und Klappern I

Autos auf der Steinernen.

Anfang des 20. Jahrhunderts machte der zunehmende Verkehr eine Straßenbahn möglich, die meisten von uns dürften zu zu jung sein, um die noch erlebt zu haben, wie sie ratternd und klappernd, vermutlich auch klingelnd oder mit einem typisch Oberpfälzer Schaffner (laut schimpfend und still grantelnd), über die noch nicht schick renovierte Brücke polterte. Eröffnung war am 21. April 1903 – aber sie fuhr nur 42 Jahre: Seit dem 23. April 1945, als der damalige Gauleiter die Sprengung veranlasste, ist keine Straßenbahn mehr über die Steinerne gezuckelt, und auch die neu geplante Stadtbahn wird weiter östlich die Donau queren.

Deutsch: Ansichtskarte – Regensburg – Steinerne Brücke nach Norden – Straßenbahn (Staatliche Bibliothek, Sammlung historischer Ansichtskarten, A,X,29, 1903, Wikimedia Commons)
Anfang der 90er Jahre.

Nicht elektrifizierte Kraftfahrzeuge durften noch ein wenig länger drüber, wer erinnert sich nicht an die Enge zwischen den Steinmauern, im Auto, wenn ein Linienbus oder Lastwagen entgegen kam – unvorstellbar mit heutigen SUVs. Ab 1997 fuhren keine Privatautos, seit 2008 auch keine Taxler und Busse mehr darüber, so haben die Regensburger entschieden. Seitdem tummeln sich Touristen, Gaukler und Musiker darauf, unter den Bögen feiern und nicht mehr nur die Punks rauschende Feste, auf der Jahninsel und den Beschlächten, mit Pizza, Döner und Rotwein vom Take-Away.

Rattern und Klappern II

Renovierung

Die Brücke hat Kreuzfahrer gesehen, auch Barbarossa, Napoleon, Schweden, Nazis damals und leider auch heute wieder. Vier Wochen lang muss es wohl grausig anzusehen gewesen sein, als jeden Tag 400 Häftlinge aus dem KZ-Außenlager im Colosseum zu Stadtamhof zu ihren Zwangsarbeitsstätten am Bahnhof marschierten. Morgens hin, abends zurück.

Stadtamhof, ehemals Bayern.

Irgendjemand hat erzählt, die Häftlinge trugen Holzschuhe und Ketten, und es sei unmöglich gewesen, entlang des Weges, den dieser laute Elendszug nahm, schlafen zu können – und nichts von der Brutalität mitbekommen zu haben, sicher war das auch auf dem Wöhrd und in der Ledermühle zu vernehmen. Das KZ-Außenlager wurde am 23. April 1945 aufgelöst, zeitgleich mit der Sprengung, weil die Amerikaner anrückten. Ein Gewaltmarsch begann, zwei Kolonnen haben die Nazis gen Süden getrieben. Über die entsprechende Gedenktafel am und gegenüber vom Colosseum konnten die Regensburger vortrefflich geteilter Meinung sein.

Kanonen und Feuer

Regensburg-Stadtamhof. Links das Colosseum, hinten der Dreifaltigkeitsberg mit Kirche.

Irgendwie seltsam, dass auch ein anderer Krieg ausgerechnet an einem 23. April seine Spuren in Regensburg hinterlassen hat. In der einigermaßen chaotischen Schlacht von Regensburg von 1809 versuchten österreichische Truppen Napoleon an der Einnahme Regensburgs zu hindern, nach einigem Hin und Her überquerten Angreifer und Verteidiger wohl mehr oder weniger gemeinsam, schießend die Brücke in Richtung Norden und lieferten sich in Stadtamhof einen filmreifen Straßenkampf, bei dem die Nachhut der Österreicher vom Dreifaltigkeitsberg mit Kanonen auf die Stadt schoss, die sie eigentlich verteidigen sollte oder wollte – und auf die eigenen Soldaten. Schüsse, Explosionen, Plünderungen, Neuanfang – nicht mal vor der Brauerei machte das Feuer halt. Heute erinnert auch ein (selbstverständlich umstrittenes) Täfelchen an die Schrecken, die Napoleon der Stadt brachte. Der hat sich hier sogar verwundet, eine verirrte Kugel, aber das war am Petersweg, weit weg von der Brücke.

Charles Thévenin: The storming of the citadel of Ratisbon in 1809.